Im Kreis gedreht

Ressourcenschonung wird auch im Wohnbau immer wichtiger.

Was bei Glas, Papier oder Plastik schon ganz alltäglich ist, ist beim Thema Bauen oftmals noch Zukunftsmusik: die möglichst lange Nutzung von Gebäuden und die spätere Wiederverwendung von Materialien. Glasflaschen werden beispielsweise rund 50 Mal befüllt, bevor sie als Recyclingmaterial in den Materialkreislauf eingegliedert werden und damit neue Ressourcen ersetzen. Ein Erfolgsmodell, das auch im Bauwesen Schule machen sollte, ist hier der Energie- und Rohstoffbedarf doch besonders hoch. Rund 40 Prozent der CO2-Emissionen, nahezu ein Drittel aller Abfälle und mehr als ein Drittel des gesamten Energieverbrauchs in der EU entstehen in der Baubranche.1 In Österreich ist der Anteil sogar noch höher: Bis zu 50 Prozent der verbrauchten Ressourcen und mehr als 70 Prozent der Abfälle sind dem Bausektor zuzuordnen.

Zirkulären Bauen als Lösung

Das Konzept der Kreislaufwirtschaft, wie wir es vom Altglas kennen, lässt sich mit vorausschauender Planung und der richtigen Verarbeitung der Materialien auch beim Bauen effizient anwenden. Wichtigstes Ziel dabei ist die möglichst lange Nutzung und Wiederverwendung von Gebäuden, Gebäudeteilen und Baumaterialien. Denn Ressourcenschonung beginnt damit, Bestehendes länger zu nutzen, bevor Neues geschaffen wird. Bei Bedarf werden Häuser also umgebaut und modernisiert statt abgerissen, vorrangig recycelte oder nachwachsende Rohstoffe verwendet und bei der Fertigung wird darauf geachtet, dass Materialien bestmöglich wiederverwendet werden können. Damit kann die Baubranche einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

FERTIGHÄUSER ALS VORREITER IN SACHEN KREISLAUFWIRTSCHAFT – EIN EXPERTENGESPRÄCH

Fertighäuser sind auch bei der Kreislaufwirtschaft Vorreiter. Warum das so ist und wie das in der Praxis aussieht, erklären Erich Benischek, Geschäftsführer der Blauen Lagune, und Christian Murhammer, Geschäftsführer des Österreichischen Fertighausverbandes.

Herr Benischek, Sie beschäftigten sich seit mehr als 30 Jahren mit innovativen Ansätzen im Bauwesen. Warum ist die Kreislaufwirtschaft gerade in der Baubranche so wichtig?

Erich Benischek ist seit 1989Eigentümer und Geschäftsführer des Fertighauszentrums Blaue Lagune.

EB: „Weil der Haus- und Gebäudebau allein in Österreich rund 50 Prozent der Ressourcen verbraucht. Wir hatten bereits Anfang August den Erdüberlastungstag, der kennzeichnet, dass alle nachhaltig nutzbaren Ressourcen des Jahres bereits verbraucht sind. Zugleich wächst der Wohnraumbedarf weiterhin. Es ist also hoch an der Zeit, hier etwas zu ändern.

Wie soll das gehen?

EB: „Wir müssen nachhaltiger bauen. Die Kreislaufwirtschaft ist dabei ein wichtiger Ansatz. Der erste Schritt, Ressourcen zu schonen, und das wird oft übersehen, ist es, Gebäude möglich lange zu nutzen.
Und das muss vor Baubeginn schon mitgeplant werden.

Welche Rolle spielen Fertighäuser dabei?

EB: Ein Fertighaus ist quasi das Vorzeigemodell für eine lange Nutzungsdauer. Der große Vorteil liegt dabei in der Flexibilität. Gerade hinsichtlich Um-, An- und Rückbau. Ich kann sogar ein ganzes Haus an einem anderen Ort wieder neu aufbauen – ohne Qualitätsverlust. Auch viele unserer Musterhäuser werden, wenn ein neues Modell kommt, verkauft und woanders einfach weitergenutzt. Wir haben das aktuellzum Beispiel beim Neubau unseres Bauzentrums umgesetzt.

Statt abzureißen, wie es sonst bei großen Baustellen der Fall
ist …

EB: Genau, wir errichten übrigens auch dasBauzentrum ganz nach den Vorgaben der Kreislaufwirtschaft. Das beginnt bei der größtmöglichen Standardisierung der fünf Ausstellungsgebäude mit gleichem Raster und Höhenmaß sowie der Konstruktionsart. Weiters verwenden wir leicht demontierbare Bauteile wie Fassaden- und Portalelemente, die später einfach wiederverwendbar sind, und achten auf eine flexible Haustechnik. Alle Gebäude sind somit fit für unterschiedlichste Nutzungen.

Herr Murhammer, spielt Nachhaltigkeit beim Hauskauf eine größere Rolle als früher?

Christian Murhammer ist seit 2002 Geschäftsführer des Österreichischen Fertighausverbands.

CM: Ja, durchaus. Denn auch beim Hausbau und Klimaschutz wird inzwischen an die nächsten Generationen gedacht, gerade bei jungen Familien. Diesem Wunsch entsprechen viele unserer Hersteller mit speziellen Angeboten.

Zum Beispiel?

CM: Indem vermehrt ökologische Baustoffe eingesetzt werden wie zum Beispiel Dämmstoffe aus Kork und Holzfaser, Augenmerk auf eine möglichst gute Trennbarkeit für den Recyclingprozess gelegt wird und natürlich die Holzrahmenkonstruktion, die eigentlich die Basis nachhaltigen Bauens ist. Mehr als 80 Prozent aller Fertighäuser sind aus Holz. Da diese über die gesamte Nutzungsdauer in den Wänden das Treibhausgas CO2 speichern, wird es zugleich der Atmosphäre entzogen.

Herr Benischek, diese Nutzungsdauer kann durch einen Umbau anstelle eines Neubaus verlängert werden. Was sollte man dabei beachten?

EB: Alles fängt bei der Planung an! Das Haus muss bereits so geplant werden, dass es später unkompliziert angepasst werden kann. Das beginnt beim Grundriss und endet bei der Konstruktionsweise.

Inwiefern betrifft das die Konstruktion eines Hauses?

EB: Damit man zum Beispiel Wände leicht versetzen, ganze Bauteile und Baustoffe nach Nutzungsende wiederverwenden kann, muss die Bauweise passen. Mein Mantra dazu ist deshalb: „Schraube ersetzt Nagel, Steckverbindung ersetzt Leim“. Denn wenn alles fix verbunden und verklebt ist, ist das schwer möglich.

Wichtig für den Recyclingprozess ist die einfache Trennbarkeit der Baustoffe. Wie beim innovativen Wandsystem von Griffnerhaus.

Herr Murhammer, die Fertigteilbauweise entspricht eigentlich exakt diesem Prinzip, oder?

CM: Genau. Durch die besondere Bauweise können die Baustoffe einfacher getrennt und besser recycelt werden, sollte einAbriss einmal nötig sein. Aber auch der bedarfsgerechte Umbau ist im Fertigbau
einfach umsetzbar. Ich kann Wände herausnehmen oder hinzufügen, wenn der Raum wieder kleiner werden soll. Ich kann, ohne statische Probleme zu bekommen, ein ganzes Stockwerk auf den Bestand setzen
und Bauteile bei einem Rückbau woanders weiterverwenden.

Herr Benischek, wer nachhaltig bauen will, für den ist ein Fertighaus also die richtige Wahl?

EB: Auf jeden Fall. Fertighäuser entsprechen genau dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft: Reduce, Long-use, Reuse, Recycle. Zudem sparen sie bei der Errichtung CO2, binden dieses über die lange Nutzungsdauer und sind im laufenden Betrieb durch moderne Technologien besonders energieeffizient. Für mich die beste Variante, um klimaschonend zu bauen.

Ziele der österreichischen Kreislaufstrategie bis 2030

— Ressourcenverbrauch um 25 % senken
— Ressourceneffizienz um 50 % steigern
— Nutzungsrate wiederverwendbarer Stoffe um 35 % steigern
— Materialverbrauch im privaten Konsum um 10 % reduzieren

© ÖGNI GmbH Mai 2022

Fotos:
Headerbild: malp – stock.adobe.com
Grafik: Kostiantyn – stock.adobe.com

Weitere Fotos: Österreichischer Fertighausverband, Blaue Lagune, Griffnerhaus, HARTL HAUS

Themenbereich Energietechnik: Das Bauzentrum setzt auf innovative Erlebbarkeit aller Themen rund ums Fertighaus.
Fertighäuser entsprechen durch ihre Konstruktionsweise bereits den Anforderungen nachhaltigen Bauens.
Christian Murhammer ist seit 2002 Geschäftsführer des Österreichischen Fertighausverbands.
Wichtig für den Recyclingprozess ist die einfache Trennbarkeit der Baustoffe. Wie beim innovativen Wandsystem von Griffnerhaus.
Erich Benischek ist seit 1989 Eigentümer und Geschäftsführer des Fertighauszentrums Blaue Lagune.
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